Kerwebräuche im Wandel

Heute

Es wurde bereits gesagt, daß viele Traditionen nach dem zweiten Weltkrieg beibehalten wurden, Kerweborsch, Kerwevatter, Kerwebaum, Kerbholen und Kerweredd sind geblieben. Anderes wurde variiert oder neu hinzugefügt. Es paßt ganz in unser motorisiertes Zeitalter, daß beim Umzug Musik und Kerweborsch gefahren werden.

Als wesentliche Veränderung sind das Abrücken von den ursprünglichen Tagen auf Samstag und Sonntag anzusehen (ab 1967) und das Erheben von Eintrittsqeld (Turnhalle seit 1960, Volkshaus seit 1949 ) . Damit wird das beliebte Hineinschnuppern (leider) unterbunden.

Es ist schon paradox, daß am Sonntagnachmittag die Kerb "aufgezogen" wird, obgleich sie doch schon eine ganze Nacht im Gange war. Die Kerweborsch tun einem leid, weil nach dem Umzug effektiv keine rechte Aufgabe auf sie wartet, denn auch der Tanz am Nachmittag ist den Neuerungen zum Opfer gefallen.

Weit ausgiebiger als einst kann man sich heute dem Frühschoppen widmen, der oft zum Spätschoppen wird. Ganz im Gegensatz zu früher, wo der Frühschoppen eine rein maskuline Angelegenheit war, gehen jetzt, wie selbstverständlich, die Frauen mit.

Hoch lebe die Emanzipation!

Während in vielen Odenwalddörfern - aber auch in Leeheim - von alters her der "KERWEWATZ" zum traditionellen Kerwebrauchtum gehört, ist er bei uns etwas Neues, quasi eine Nachkriegserscheinung. Zunächst war es so. daß sich ein Kerweborsch durch besonders auffälligen Benimm (im negativen Sinne) so profilierte, daß er im Laufe der Kerb zum "Kerwewatz" ernannt und entsprechend dekoriert wurde. Später wurde eine Institution daraus, d.h. er wird im voraus gewählt, und man erwartet von ihm, daß er seinem "Ruf" gerecht wird. Als Zeichen seiner Würde trägt er heute eine Schleife mit aufgedrucktem "Titel".

Eine weitere Neuerung ist der "Mitternachtsgag", eine wohl vorbereitete Überraschung, die, mit Spannung erwartet, nicht wenig zur Hebung der Stimmung in den Sälen beiträgt. Aus den Zufallseinfällen von einst ist ein geplanter Programmpunkt geworden. Man muß an dieser Stelle den Kerweborsch echten Ideenreichtum bescheinigen. Den "Haufen Arbeit" , den dieser Programmteil mit sich bringt, tut man offenbar gerne zur Freude der Zuschauer. Es soll sogar Leute geben, die sich zu dieser Stunde eigens in den Sälen einfinden, um diese Show zu erleben.

Schließen wir mit dem Wunsch und der Hoffnung, daß es noch viele Jahrzehnte durch unser Dorf klingen möge:

"Die Kerb ess unser, die Kerb ess unser,
die Kerb ess unser, unser Heiligtum."